Schöner wohnen in gestapelten Landschaften
Nach jahrelangem Verfall wird der ehemalige Holländische Expo-Pavillon nun endlich umgebaut. Bis Mitte 2025 sollen dort sogenannte Micro-Apartements für Studenten entstehen.
Wer sich vor die Baustelle stellt, muss inzwischen seine Fantasie bemühen, um aus dem dürren Stahlgerippe den einstigen Holländischen Pavillon der Expo 2000 mit seinen gestapelten Landschaften noch zu erkennen. Zumal ein Großteil der charismatischen, rund 200 Jahre alten, Eichenstämme inzwischen herausgearbeitet und durch Betonpfeiler ersetzt wurde. Aber: Gut Ding will Weile haben. „Das Ganze ist kein Kurzlaufprojekt und kein klassischer Wohnungsbau. Die Herausnahme der Stämme dauert schon zwölf Wochen und wird bestimmt noch zehn Wochen in Anspruch nehmen“, sagt Björn Jeschina, Niederlassungsleiter Hannover bei der Wohnkompanie Nord, die den Umbau des Pavillons zu MicroApartements realisiert.
Gestern hatten die Wohnkompanie und die Projektgesellschaft iLive Expo Campus GmbH, die die 386 Miniwohnungen als Partnerunternehmen vermarktet, zur Baustellenbegehung geladen und dabei ein paar Zielzahlen genannt.
620 bis 640 Euro Miete
Voraussichtlich Mitte 2025 ziehen die ersten Mieter ein, die dann eine Monatsmiete zwischen 620 und 640 Euro zahlen – für ein Apartment von 24 bis 32 Quadratmetern. Dafür ist alles inklusive: Möblierung, WLAN, Nebenkosten wie Wasser, Strom, Gas. Ein Restrisiko aber bleibt: Da man nicht absehen könne, wie sich die Preise für Energie in Zukunft entwickeln, habe man keine Festmiete über einen längeren Zeitraum vorgesehen, sagt Klaus Riek von iLive. Eine Mieterhöhung ist also jederzeit möglich.
Mit der Vermietung der Apartements startet iLive etwa drei bis vier Monate vor Fertigstellung, die Vermarktung der Wohnungen an Investoren läuft hingegen auf Hochtouren – und nach Angaben von Klaus Riek zufriedenstellend. Für 100 Appartements gibt es Kaufverträge, für 75 weitere Reservierungen. Das bedeute, so erklärt Riek, dass diese Wohnungen aktuell in der notariellen Beglaubigung sind. Anders formuliert: 211 der 386 Apartements sind zurzeit noch käuflich zu erwerben – gut zweieinhalb Jahre vor Erstbezug. Der Preis pro Apartement liegt zwischen 170.000 Euro (minus 5000 Euro Rabatt durch iLive) und 220.000 Euro abzüglich eines KfW-Tilgungszuschusses in Höhe von 15.000 Euro.
Der Umbau ist kompliziert, aber das können wir lösen.
Björn Jeschina, Niederlassungsleiter Hannover bei der Wohnkompanie nord
Die iLive Group ist mit derzeit rund 5700 Apartments an 21 Standorten einer der führenden Anbieter von Lifestyleund Micro-Apartments in Deutschland nach Vorbild des Bauprojektes in Hannover. Vom Hauptsitz Aalen in Baden-Württemberg aus agiert die Unternehmensgruppe mit Büros in München und Köln im gesamten deutschsprachigen Raum und deckt mit seinem Gesamtkonzept den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie ab – von der Idee über Planung, Entwicklung und Bau bis hin zum Betrieb der Wohnanlagen. Auch die Vermietungsbürokratie für Investoren übernimmt das Unternehmen.
„Heimat auf Zeit“ anbieten
In Hannover wie auch an anderen Standorten gibt es deshalb einen sogenannten Communitymanager, der als Ansprechpartner für die Studierenden. Das reicht von der Annahme der Postpakete über die Organisation von Veranstaltungen wie Grilloder Kinoabende bis hin zur Funktion des Seelentrösters für kleinere (Lebens-)Notlagen. Eine „Heimat auf Zeit“ wolle man den Studierenden bieten, kein anonymisiertes Wohnen in einer Studentenunterkunft, sagt der iLive-Manager. Zu dem Gebäudekomplex im ExpoPark gehören deshalb noch ein Fitnessstudio und Sportplätze, dazu ein Kinosaal, eine Bar sowie großzügige Dachterrassen, außerdem eine Parklandschaft zum Entspannen.
Ebenfalls Teil der Revitalisierung des Pavillons ist der Aufbau von Coworking-Spaces für Freiberufler und kleine Start-up-Unternehmen. Die Nutzer sollen aus dem universitären Umfeld stammen, aber auch aus dem Bereich der im Expo-Park bereits ansässigen Firmen. Etwa 3300 Quadratmeter hält die Wohnkompanie Nord dafür bereit. Vorgesehen ist, diese Fläche komplett an einen Coworking-Space-Betreiber zu vermieten, der Einzelbereiche untervermietet. Ein lokaler Wachstumsmarkt: Wegen des neu entstehenden Wohnquartiers KronbergSüd im Stadtteil Bemerode nebenan rechnet die Wohnkompanie mit einer zusätzlichen Nachfrage.
Um sechs Zentimeter gedreht
Bis es soweit ist, dauert es aber noch über zwei Jahre, und bis dahin gehen Wohnkompanie Nord und iLive noch von einigen Überraschungen aus. Wie die, dass sich der gesamte Pavillon seit dem Ende der Expo 2000 um etwa sechs Zentimeter gedreht hat, was vor allem für die Statik des Gebäudes von Relevanz ist. „Die müssen wir immer wieder neu berechnen. Der Umbau ist kompliziert, aber das können wir lösen“, sagt Björn Jeschina. Die Revitalisierung des Pavillons sei eben kein Bau, bei dem man nur vier Wände hochziehen müsse. „Das ist auch der Grund, warum es so lange dauert.“
Die Bagger waren erstmals im Sommer 2021 angerückt, Mitte Juli setzten die Erdund Verbauarbeiten im Untergeschoss ein. Ende vergangenen Jahres fand dann der Rückbau des vierten und fünften Obergeschosses statt, die anschließend wieder neu errichtet werden. Auch der ehemalige Aufzugsturm an der Ostseite des Gebäudes wurde zurückgebaut, um dort Platz für einen neuen Erschließungsturm zu schaffen. Darüber hinaus bekommt der Pavillon ein nach innen gelegenes Treppenhaus.
Kino und Fitnessstudio
Die Projektgesellschaft investiert etwa 97 Millionen Euro in die Revitalisierung des Gebäudes, inklusive Neubau der Micro-Apartements und des Gebäudes für Büround Parkhaus. In das Areal kommen später nur die Bewohner, Kino und Fitnessstudio sollen allerdings auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Peppermint Park soll ebenfalls schon Interesse an einer Studiofläche auf dem Dach des ehemaligen Pavillons bekundet haben.
Die Geschichte des Pavillons
Der Holländische Pavillon war nicht nur einer der beliebtesten pavillons der expo 2000 in hannover, er wurde auch schnell zu einer art Wahrzeichen der Weltausstellung. auf einer grundfläche von 1024 Quadratmetern schufen das architekturbüro MVrDV aus rotterdam und das Konstruktionsbüro aBt insgesamt fast 8000 Quadratmeter Fläche für verschiedene übereinandergestapelte landschaften. sie waren über eine umlaufende treppe erschlossen.
Der einst 40 Meter hohe Bau aus Beton, Metall und holz war der höchste länderpavillon der expo – und wohl auch sein schrillster. auf dem Dach des gebäudes drehten sich sogar Windräder. nach dem ende der Veranstaltung wurde der Bau so gut wie nicht genutzt. außer 2011: Da wurde er zum spielort des internationalen Festivals „theaterformen“, eines der wichtigsten theaterfestivals im deutschsprachigen raum.
Ideen für die Nachnutzung des gebäudes gab es noch einige. sie floppten wie die Krabbenzucht und das Zentrum für ökologisches heizen mit pellets. Zwischendurch übten noch spezialeinheiten der polizei an der Fassade das abseilen. am ende verfiel der pavillon, graffitikünstler und randalierer gaben dem Bau optisch den rest – zum schluss war die einstige Vorzeigeimmobilie der Weltausstellung nur noch ein „lost place“. im september 2017 erwarb schließlich der zu der Bremer Zech-gruppe gehörende hannoversche immobilienentwickler Wohnkompanie nord das gebäude. im sommer 2021 kamen die Bagger – und der umbau zu studentischen Micro-apartements mit Wohnkomfort für die Freizeit begann.